Mein Vater war in den 50’ern in Amerika, und damals haben wir in der Zeitung ein paar Artikel von ihm zu dieser Reise gedruckt. „Mit dem Notizbuch durch Amerika“, hieß die Serie damals. Könntest Du mir die Artikel aus dem GN-Archiv heraussuchen?
So in etwa lautete die Frage meiner Mutter im Sommer 2015. Also machte ich mich an die Recherche im elektronischen Archiv der Grafschafter Nachrichten und fand schließlich im Jahr 1957 alle Artikel, die Heinz Kip (mein Großvater, den ich leider nie kennengelernt habe) aus den USA via Fernschreiber in die Redaktion nach Nordhorn übermittelt hatte. Korrekt hieß die Serie „Mit dem Notizblock durch Amerika“. Mit dem Lesen der ersten Zeilen war meine Neugierde entfacht: Mit welcher Begeisterung mein Großvater über die Vereinigten Staaten schrieb, über das Land und Menschen, die er kennengelernt hatte, und mit welcher Wehmut er wieder abgereist war. Wiederkommen wollte er unbedingt – leider starb er jedoch viel zu früh am 11. November 1965. Ein erneuter Besuch der USA blieb ihm verwehrt.
Dem Stand der damaligen Technik entsprechend, konnten die Artikel von Heinz Kip nur mit einiger Verzögerung in die gedruckte Tageszeitung übernommen werden. Ein Fernschreiber konnte auch keine Bilder übermitteln, so dass der „Notizblock“ nur als Bleiwüste veröffentlicht wurde. Erst nach seiner Rückkehr konnte mein Großvater seine Schwarz-weiß-Filme entwickeln lassen und die letzten vier Beiträge opulent bebildern. – „Wie es wohl heute aussieht? Wie würde ein direkter Vergleich alter Fotos zu heute wirken?“ – Diese Gedanken machten sich zunehmend bei mir breit. Denn nicht nur den Vergleich der beschriebenen Lebensverhältnisse aus den 50’er Jahren mit heute finde ich spannend, sondern auch das Gegenüberstellen historischer und aktueller Fotografien, ganz ähnlich wie wir es auf GN-online mit Grafschafter Fotos im „Rückklick“ machen.
Heute ist die Technik zum Publizieren von Text und Bild komplett digitalisiert. Ohne Zeitverlust kann man z.B. Fotos vom Smartphone in alle Welt teilen. Diese Möglichkeiten wollte ich mir auch bei der Aufbereitung der alten Zeitungsartikel zunutze machen, und überführte alle Inhalte schon seit Mitte 2016 in einen Weblog. Dieser Blog könnte ja Grundlage für eigene Reiseberichte sein?
Wie es der Zufall wollte, räumten meine Eltern auch noch Ende 2016 das alte Kip’sche Familienarchiv auf unf förderten dabei zwei tolle Funde zutage: Zum einen eine Mappe mit den Original-Ausschnitten der Notizblock-Serie aus den GN, der Original-Einladung ins Weiße Haus und dem Dankesschreiben des amerikanischen Konsulats, zum anderen einen Umschlag mit 235 Original-Fotografien, die mein Großvater 1957 in den USA gemacht hatte. Welch ein Schatz!
Jetzt war die Idee, mit der ich solange schwanger ging, endgültig geboren: Ich will meinem Großvater nachreisen und auch Erfahrungen in der „Neuen Welt“ sammeln! Neben der Aufarbeitung des Familienerbes sprechen auch einige berufliche Gründe für eine solche Reise:
- Der Medienwandel in den USA wird viel schneller vollzogen als in Deutschland. Wir deutschen Verleger schauen immer mit Angst auf das Zeitungssterben in den USA. Wird es uns auch in dem Maße treffen? – Ich möchte mir ein eigenes Bild machen und die Rundreise durch Amerika nutzen, um mit Vertretern verschiedener Verlage und Medien ins Gespräch zu kommen. Welche Rezepte haben sie entwickelt, um ihr Geschäftsmodell zu digitalisieren? Informationen aus erster Hand können dabei helfen, die Grafschafter Nachrichten strategisch weiter zu entwickeln.
- Schon mein Großvater berichtete über Grafschafter Auswanderer im Bereich Holland in Michigan. Die GN haben in der Vergangenheit mehrere Leserreisen in die USA veranstaltet, bei denen auch Auswanderer besucht wurden – begleitet von unserem langjährigen Redakteur Freimuth Schulze. Schließlich haben wir in den GN eine lose Serie „Grafschafter in aller Welt“ veröffentlicht. – Auf der Rundreise möchte ich Grafschafter Auswanderer oder deren Nachfahren treffen und interviewen. Wie ist ihr Blick auf die Alte und die Neue Welt?
- Schließlich haben mich zum Jahresende 2016 die Bücher „Silicon Valley“ und „Silicon Germany“ von Christoph Keese (Axel Springer Verlag) in ihren Bann gezogen. Keese war mit seinen Kollegen für ein halbes Jahr in Kalifornien, um den Erfolg der Start-up-Szene zu verstehen. – „Was Axel Springer kann, können die GN schon lange“, dachte ich mir, schließlich war mein Großvater schon über 50 Jahre vor den Großverlagskollegen auf Studienreise in den USA. Mit etwas Glück kann auch ich Kontakte zu jungen Unternehmern und Unternehmen knüpfen und die Erkenntnisse bei den GN einsetzen.
Aber eine solche Rundreise – von der Ost- zur Westküste und wieder zurück – will ich nicht alleine machen. Die Begeisterung bei der Familie angesichts des Projekts wurde schon in der Reifephase geweckt. In diesem Jahr haben wir die letzte Möglichkeit zu einer ausgedehnten Rundreise, bevor unser Sohn im Sommer eingeschult wurd. Um nicht täglich aus dem Koffer leben zu müssen, wollen wir die Reise mit einem Wohnmobil unternehmen.
„Nachgereist – Mit dem Notizblog durch Amerika 2017“ soll die Serie heißen, die ich in diesem Blog exakt 60 Jahre nach meinem Großvater schreibe. Die Reiseplanung ist in vollem Gange…
„Die GN-Mediengruppe steht in einer langen Tradition …“ heißt es einleitend in deren Unternehmensleitbild.
Und weiter: „Die GN-Mediengruppe steht für eine nachhaltige und auf Erfahrungswissen aufgebaute Unternehmensentwicklung.“
Dieses Projekt unterstützt erfüllt beide Aussagen in besonders eindrücklicher Weise mit (neuem) Leben!
Holger Bodmann