XII – Besuch bei einer deutschen Zeitung in Chikago – Die deutschsprachigen Zeitungen sterben ab

In Chikago besuchte ich die deutsche Zeitung „Abendpost„, die aber in Wirklichkeit eine amerikanische Zeitung in deutscher Sprache ist, wie es im Untertitel heißt. Doch dort ist auch zu lesen „einzige deutschsprachige Tageszeitung des Mittelwestens“. „Als ich herkam“, erzählte mein Gegenüber, „gab es noch sieben oder acht deutsche Tageszeitungen hier und ebensoviel in Milwaukee. Das war vor 50 Jahren. Heute ist in Milwaukee keine deutschsprachige Zeitung mehr, und hier sind wir noch die einzige“.

Die große Zeit der deutschen Zeitungen in Nord-Amerika ist vorbei. Als um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Million Deutscher ins Land kam und in den 80iger Jahren genau soviel Menschen deutschen Bluts hier einwanderten, da entstanden überall deutsche Gemeinden und deutsche Zeitungen. Dann gab es Einwanderungssperren. Die älteren Eingewanderten starben; ihre Nachkommen waren bereits Amerikaner. Die deutsche Sprache ging weitgehend verloren. Dann kamen die beiden Weltkriege. Die Vereinigten Staaten traten 1917 gegen uns in den Krieg ein. Als sich nach dem ersten Weltkrieg das Deutschtum in Amerika kaum wieder erholt hatte, ergriff Hitler die Macht. Nach dem zweiten Weltkrieg zunächst ein abermaliges Einwanderungsverbot, und die dann kamen, sonderten sich bewußt und auch wohl aus Existenzgründen streng vom Deutschtum ab. Sie wollten gar nicht mehr daran erinnert werden. Die Entwicklung war also stärker als die deutschen Zeitungen in Amerika, die die Landsleute nicht bei der Stange halten konnten.

„Vor wenigen Jahren hatten wir noch eine Auflage von 42.000“, berichtet der verantwortliche Mann der „Abendpost“, „jetzt haben wir noch 21.000“. Ein anderes Mitglied des Verlages gab die Zahl mit 28.000 an. Ein Dritter: „Ich glaube, über 10.000.“ „Mehrere 10.000?“ „Das möchte ich nicht gerade sagen.“

So unklar waren die Antworten. Alle drei Befragten fuhren jedoch im gleichen Atemzuge fort: „Wir sind aber jetzt wieder auf dem aufsteigenden Ast!“ Ich selbst glaube nach meinem Besuch aber nicht daran. Die „Abendpost“ in Chikago stand vor einigen Jahren vor der Pleite. Eine Anzeigengesellschaft übernahm dann den Verlag, und nur für sie fällt vielleicht noch ein kleiner Gewinn ab. Ich möchte wünschen, daß die Herren, mit denen ich sprach, mit ihrem Optimismus recht behielten.

Die deutschsprachigen Zeitungen haben viel geleistet, und vor allen Dingen war es eine Zeitung in Winona nach dem zweiten Weltkrieg, die die „Deutsche Aktion“ des Prinzen Hubertus von Löwenstein zum Erfolg führte. Sie rief als erste zu Spenden für das notleidende deutsche Volk auf, und der Aufruf hatte große Auswirkung.

Meine „Chikagoer Abendpost“ bringt jedoch am Freitag, dem 29. März 1957, den Bulganinbrief an Adenauer als Aufmacher und ist nicht gut auf Eisenhower zu sprechen, dem sie vorwirft, daß er eine gefährliche Finanzpolitik betreibe und die Nationalschuld vergrößere, statt sie zu vermindern. Die Zeitung zitiert den Präsidenten der Bankiersvereinigung, die anläßlich einer zur Zeit in Chikago stattfindenden Tagung ausführte: „Er (Eisenhower) hält sogar an seiner Politik der Auslandshilfe fest, obwohl nicht der geringste Zweifel darüber besteht, daß gerade diese Ausgaben vom Volk in denkbar schärfster Weise kritisiert und verurteilt werden. Das ist nicht das Mädchen, das wir geheiratet haben“.

Der Herr, mit dem ich mich im Büro der „Abendpost“ vornehmlich unterhielt, war nicht gut auf Washington zu sprechen. Ob Chikago im allgemeinen eine solche Eierstellung hat, weiß ich nicht. Vielleicht war’s nur die Eifersucht des Lokalpatrioten?

Doch in der „Abendpost“ lese ich außerdem, daß Eintracht Nordhorn am letzten Sonntag gegen Bremerhaven 1:1 gespielt hat. Das wußte ich bis dahin noch nicht und freute mich.

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