Die Stadt des Welthandels hat große schöne Parks mit herrlichen Anlagen, mit weiträumigen Golfplätzen und Rasenteppichen, auf denen man am Wochenende viele Yankees sieht, die in ihrer Freizeit dem Golfspiel huldigen und auf denen die jüngeren von ihnen den Nationalsport Baseball betreiben. Diese herrlichen, mit Palmen bestandenen Anlagen, in denen es Museen und in einer andern den Zoologischen Garten gibt, entzücken das Auge. Die breiten Straßen, die Avenuen mit großen Kaufhäusern, unendlich vielen Restaurants und dem bunten geschäftigen Treiben weißer und schwarzer Menschen, riesigen Hotels, Handelshäusern und Hospitälern bewundert und bestaunt er – doch ich liebe es, die vielen Tavernen in Augenschein zu nehmen, in dessen schattigen Innenhöfen man unter Palmen den Durst so köstlich zu löschen vermag.
Noch bestehen die alten Straßennamen: Royal, Dauphine, Roubor, Burgundy, Toulouse, Bienville und die alte Piraten-Allee, Orleans-Straße, die St. Charles-Street mit der St. Louis-Kathedrale aus dem 18. Jahrhundert. Hinter dem „Café du monde“ schließt sich der „French-Mart„, der französische Markt, an. Man wird des Sehens nicht müde und vergißt dabei den Dreck, der in den Winkeln der verlassenen Häuser sich zu Bergen türmt und in kleinen, engen Straßen zum Sammelplatz für die Fliegen wird. Nein, sauber ist es hier nicht überall. Aber was kümmert’s, wenn jedes Hotelzimmer ein separates Wannen- und Brausebad hat und man seine Kleidung innerhalb weniger Stunden und für wenig Geld reinigen lassen kann.
Antiquitätenläden mit einer unwahrscheinlich vielfältigen Auswahl verstaubter Dinge aus allen Erdteilen, kitschiger Skulpturen, Möbelstücken vieler Jahrhunderte, Kerzenhaltern und Lampen aus lauter Kristallen haben neben Heiligenbildern ihren Platz, und gleich nebenan sind im Schaufenster noch Faschingskostüme, fast aus Nichts bestehend, und erinnern an den Karneval, der am Fastnachts-Dienstag gefeiert wurde. Reste von Luftschlangen liegen noch in den Fensterecken oder hängen an den Laternen der Bars, die am Abend ihre Türen öffnen, wenn der große Strom der Fremden durch die Straßen quillt. Die Arbeiter, die Angestellten, die Tabakpflanzer und die Beherrscher großer Baumwollplantagen, die Farmer, die ihren Reichtum dem Weizen, dem Zuckerrohr, dem Obst oder dem Anbau von Nüssen verdanken – sie alle kann man hier mit ihren „ladies“ treffen, und alle wollen das „French Quarter“ am Abend oder in der Nacht erlebt haben.
Polizisten mit geladenem Colt und einem Knüppel in der Hand sorgen für ihre Sicherheit, Polizistinnen in Uniform regeln an den Straßenkreuzungen den Verkehr der schier unaufhörlichen Autoschlangen, und zwischen dem Gekreisch der Musik, das aus allen Häusern zu kommen scheint, ist ihre Trillerpfeife nicht zu überhören, wenn eine andere Fahrtrichtung freigegeben wird.
Am Abend öffnen auch die Künstler, die kleinen „Toulouses“, die Pforten ihrer Ateliers, und bei der durchdringenden aufpeitschenden Jazz-Musik von (…)-Kapellen bieten sie dem Besucher ihre Erzeugnisse an oder warten geduldig auf Käufer, damit der Künstler wieder einen Tag leben kann, wenn er etwas verkauft hat. Unsere Zeit nennt sie Existenzialisten, und hier sind sie es reinsten Wassers. Der Fremde will sie aber gesehen haben, diese Menschen, die aus dem Nichts kommen und in das Nichts gehen und die doch leben wollen.
Hier, an der Geburtsstätte dieser Jazz-Musik, gibt es bei Nacht aber viele andere Attraktionen; buchstäblich hat jedes Haus eine andere. Die Plakate verbergen nichts. Der Türsteher fordert, lebhaft gestikulierend, die Vorübergehenden auf, einzutreten, und unterstreicht seine Einladung durch das Öffnen der Tür, um die Passanten einen Blick in die angepriesenen Herrlichkeiten tun zu lassen. Die kurze Sicht auf die Bühne, die dadurch ermöglicht wird, läßt soeben ein Mädchen erblicken, das sich gerade der letzten Hüllen entledigt. Auch diese tanzenden nackten Mädchen auf den Bartischen gehören zu New Orleans, der großen Hafenstadt am Golf von Mexiko. Und einige Eltern finden offenbar gar nichts dabei, ihre Kinder bei ihrem Bummel durch das Stadtviertel mitzunehmen.
Wenige Schritte weiter aber stößt man auf das „Municipal Auditorium„, wo an der Kasse eine Eintrittskarte für ein Symphoniekonzert unter Leitung von Alexander Hilsberg für mich hinterlegt ist und bei welchem Werke von Beethoven, Mozart, Hindemith und Schumann auf dem Programm stehen. Ein Plakat an der Seite kündet noch davon, daß der „Oberkirchner childrenchor“ am 9. März hier gesungen hat. Schade, ich hätte die Schaumburger Märchensänger gern in New Orleans getroffen.