II – Erste Eindrücke

Das Austausch-Programm der amerikanischen Regierung wurde vorn 80. Kongreß der Vereinigten Staaten zum Gesetz erhoben, und 1947 wurde dieses Gesetz auf das Bundesgebiet ausgedehnt. Die Kosten werden von der amerikanischen Regierung getragen. Die Auswirkung und das Ziel ist nicht etwa so, als ob „jeder Deutsche einmal in Amerika“ gewesen sein muß.

Die Auswahl der Eingeladenen erfolgt in erster Linie auf Grund ihrer Mitarbeit im öffentlichen Leben. Da ist die Gruppe der „leaders“ (Politiker, Beamte im öffentlichen Dienst, Richter, Rechtsanwälte, Journalisten, Gewerkschaftler, Lehrer und Erzieher), die im allgemeinen 45 bis 90 Tage zu einem Besuch in die Vereinigten Staaten eingeladen werden. Dann gibt es weiter noch die „Trinees, Teen-agers“, „students“ und den Austausch von Wissenschaftlern, das sog. Fulbright-Programm. In den Informationen, die mir vor Antritt der Reise zugestellt wurden, heißt es wörtlich:

Die Regierung und die mitarbeitenden Stellen geben jedem Teilnehmer die größtmögliche personelle Unterstützung, um sicherzustellen, daß er sich seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten erfreut und den größtmöglichen Nutzen aus seinen Eindrücken zieht. Eine gewisse Selbständigkeit und ein gewisses Zurechtkommen muß natürlich von jeden Teilnehmer erwartet werden. Außer bei ungewöhnlichen Umständers wird er keine Führer oder Begleiter haben. Er wird nicht bei seiner Ankunft in jeder Gemeinde, die er besucht, begrüßt werden. Er wird oft eigene Abmachungen treffen und für Reisevorbereitungen selbst sorgen müssen. Trotz dadurch vielleicht entstehender kleiner Unannehmlichkeiten ist die Regierung überzeugt, daß jeder Besucher volle Handlungsfreiheit in den Vereinigten Staaten haben muß und er das Land ohne die dauernde Führung und Oberaufsicht der US-Stellen sehen soll.

So also die Information – und doch ist alles bei der Ankunft in New York gut vorbereitet und bestens organisiert. Bei drückender Schwüle war das Flugzeug gelandet, und während der Besucher aus Deutschland noch die riesigen eleganten Büros der Luftfahrtgesellschaften bestaunt, von dem Gewirr vieler Sprachen und Menschen, die anscheinend wie ein riesiger Ameisenhaufen durcheinander quirlen, selbst etwas verwirrt und ratlos dasteht, wird auch schon sein Name durch den Lautsprecher ausgerufen; der Ankömmling wurde gebeten, sich dort und dort einzustellen. Ein junger Beamter vom Governmental Affairs Institute, dem die Betreuung des Austausch-Reisenden obliegt, händigt mir mit freundlichen Worten einen Brief aus und gibt mir die Anschrift des Hotels, in dem ein Zimmer für mich reserviert worden ist. „Mit dem Carre-Bus zum Endbahnhof in New York, dann bitte eine Taxe zum Hotel nehmen, und hier sind weitere Unterlagen für Sie.“

Als Fremder tut man gern, was einem ernpfohlen wird. Und wenn man nun die breiten und großzügig angelegten Zufahrtsstraßen entlangfährt und auf die Häuser zu beiden Seiten blickt, dann fallen einem zunächst die unendlich vielen Fernseh-Antennen auf, die wie Nadelspitzen die Dächer der großen und kleineren Häuser zieren. Die Straßenführungen, teils übereinander, teils unterirdisch, verblüffen den Deutschen, der das Straßenproblem nicht lösen kann. Wesentlich ist auch das: die vielen, vielen Autos und Omnibusse, zu dreien oder vieren nebeneinander fahrend in einer Richtung, wie ein endloser Wurm aussehend, der sich in das Steinmeer krümmt, benötigen keine polizeiliche Verkehrsregelung. An allen nur denkbaren Straßenkreuzungen und in jeder Richtung befinden sich Ampeln die den Verkehrsstrom mühelos regieren. Und, o Wunder, die Rücksicht auf die Fußgänger! Die Ampel mag für den Fahrer grünes Licht zeigen – befindet sich auch nur ein Fußgänger auf der Straße, hält wie eine Selbstverständlichkeit der ganze Pulk. Das geschieht ohne ein böses Wort und ohne die bei uns für so viele Autofahrer bezeichnende Gebärde des Zeigefingers zur Stirn. Auch das Anzeigen der Fahrtrichtung entfällt, und doch verläuft alles reibungslos, als ob eine unsichtbare Hand die anscheinend unentwirrbaren Zusammenballungen mit hundertprozentiger Sicherheit und Leichtigkeit löst. Das ist ein Phänomen, das ein Deutscher schwer begreift. Aber er wird überzeugt durch die Tatsache und kann nichts tun als sich wundern.

Vom Bus-Terminal also eine Taxe zum Hotel „Woodstock“ in der 43th Street. New York war zunächst für mich nur der Broadway, die 5th und 7th Avenue, die in der ganzen Welt berühmten und bekannten Straßen. Von dem Wirbel und den ungeheuren Eindrücken förmlich fertiggemacht, war ich froh, am nächsten Morgen schon New York fürs erste wieder zu verlassen. Good bye, good bye New York, in fünf Wochen sehen wir uns wieder! Welche Erholung ist dagegen Washington, die Hauptstadt des nordamerikanischen Kontinents. Hier atmet man freier, hier umgibt einen Gepflegtheit des Ganzen. Washington ist sicher die größte Bürostadt der Welt, die ihr Dasein der Regierung verdankt. Einen Tag nun bin ich hier, in einem vorzüglichen Hotel untergebracht, und habe meine ersten Pläne geschmiedet. Acht Tage bleibe ich ja doch in Washington, und im Laufe dieser ‚Tage wird sich Gelegenheit finden, über die Hauptstadt der Vereinigten Staaten Näheres zu berichten.

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