I – Der Sprung über den Ozean

Liebe Leser der „Grafschafter Nachrichten“!

Nicht populär und nicht beliebt ist bei uns Zeitungsschreibern die Ich-Form. Laßt sie mich aber in diesem Falle, wenn auch mit ein wenig innerer Überwindung, anwenden.

Wenige Stunden mehr, als ein Tag zählt, atmet meine Lunge nun amerikanische Luft und betreten meine Füße den Boden des Kontinents, der in der Weltgeschichte noch so jung ist, aber heute – in diesem Land der Superlative fällt das nicht schwer zu schreiben – als größte politische und wirtschaftliche Macht der Erde auch unser Leben mitgestaltet.

Glücklich, das amerikanische Erlebnis vor mir zu haben, aber auch mit einem kleinen „Bammel“, ob ich mich wohl in der Neuen Welt zurechtfinden würde, und etwas aufgeregt vor meinem ersten Trans-Atlantik-Flug hatte ich am Dienstag (26.2.) um 19 Uhr auf dem Düsseldorfer Flughafen im Büro der PAA (Pan American World Airways) die Formalitäten erledigt, obwohl der Start des Flugzeugs erst um 20.30 Uhr vor sich gehen sollte. Ich war der erste Passagier für die Maschine, der abgefertigt wurde. So war mir die Wahl des Platzes freigestellt, und dank freundlicher Beratung erhielt ich einen geradezu idealen Platz, wie sich nachher herausstellte.

Im gleichen Augenblick aber, als die Platzfrage geregelt wurde, kam die Nachricht, daß über London sehr schlechtes Wetter herrsche und man noch nicht übersehen könne, ob überhaupt an diesem Abend geflogen werden könne. Die Passagiere möchten sich jedoch bereithalten, da eventuell der Start auch vor der angegebenen Zeit erfolgen könne. In dieser Ungewißheit warteten meine Frau, die meinen Abflug miterleben wollte, und ich im schönen Aufenthaltsraum des Flughafens. Bei einem Täßchen Tee verbrachten wir also mit etwas Ungeduld die Wartezeit. Dann hieß es plötzlich: Die Besatzung ist an Bord gegangen, der Aufruf dürfte in etwa fünf Minuten zu erwarten sein. Wie gut war es also, daß wir sehr früh zum Flugplatz gefahren waren!

Fünf Passagiere hatten in dem fast 80 Passagiere fassenden Clipper Platz genommen; freundliche Stewardessen hatten ihnen die Garderobe abgenommen und je nach Wunsch der Fluggäste „Life Savers“ oder Kaugummi gereicht. Gegen 20 Uhr erhob sich der „Black Hawk“, der „Schwarze Habicht“, in die Lüfte. Nach einer kurzen Zwischenlandung in Amsterdam um 20.50 Uhr wurde London gegen 22.30 Uhr angeflogen. Das schlechte Wetter über der britischen Hauptstadt bestand – wie konnte es auch anders sein! – aus dichtem Nebel, der jedoch noch eine Landung zuließ und gegen Mitternacht den Start. Diesmal aber mit einer vollbesetzten Maschine. Nur zwei Plätze blieben frei, einer davon neben mir, was mir natürlich nicht unwillkommen war. In 7000 Meter Höhe wurde der Ozean überquert. In einem, wie es uns vorkam, langen Nachtflug; denn der Zeitunterschied beträgt bekanntlich sechs Stunden. Nach weiteren liebenswürdigen Gaumengenüssen, Getränken und einem zweiten Abendessen (die Düsseldorfer Passagiere hatten bereits zwischen Amsterdam und London ein erstes serviert bekommen) löschte man das Licht und schloß die Augen. Das Schlaflied sangen die gleichmäßig brummenden Motoren. Ob man auch zu Hause so fest und tief geschlafen hat? Der erste Brief aus dem old Country wird vielleicht Auskunft geben.

In der Morgendämmerung sahen sich die Gäste der PAA zwischen zwei riesigen Wolkendecken. Im Rhythmus der arbeitenden Motoren erkämpfte sich der riesige Vogel das Licht. Nur noch einige Stunden, dann war New York erreicht. Die Barthaare waren während der langen Nacht über das Ziel hinausgeschossen. Aher, wozu saß man in einem modernen Flugzeug? Zum Rasieren war an Bord Gelegenheit. Nach der Morgentoilette das Frühstück, dann aber gab Flugkapitän Karry bekannt, daß New York noch nicht angeflogen werden könne. „Wir nehmen Kurs auf Boston! Dort müssen wir zunächst landen und warten, bis sich das Wetter über New York gebessert hat.“ Die nicht vorgesehene Wartezeit in Boston wurde benutzt, um die Zoll- und Einreiseformalitäten schon hier zu erledigen. Nach zwei Stunden war es dann soweit. „Black Hawk“ setzte zum letzten Sprung an, Flugzeit 45 Minuten, Höhe 2000 Meter. Eine dichte Wolkenwand schob sich wieder zwischen uns und das Land. So blieb uns das herrliche Panorama der Riesenstadt, von vielen Bildern her bekannt, im dichten Nebel verborgen. Etwas verspätet, aber leicht und glatt setzte der Luftkreuzer die Räder auf die Rollbahn des größten Flughafens der Welt, auf dem Idlewild International Airport, New York City, auf.

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